Wie gehe ich am besten mit Hundebegegnungen um die ich noch nicht trainiert habe?
Wer sich einen Hund anschafft, denkt an gemeinsame Spaziergänge und entspannte Touren durch die Natur. Diese Vorstellung zerplatzt wie eine Seifenblase, wenn der liebe Vierbeiner jede Hundebegegnung zum Anlass für einen mittleren Ausraster nimmt. Wie du richtig auf das Gemecker an der Leine reagierst, erfährst du hier.
Um langfristig die gemeinsamen Gassigänge zu genießen, ist ein strukturiertes, professionell angeleitetes Begegnungstraining unumgänglich. Aber was tun bevor der Trainingserfolg sich einstellt und dein Hund sich entspannen kann? Diese fünf Tipps sollen dir helfen, unerwünschte Hundebegegnungen zu reduzieren oder so zu managen, dass sie zumindest euer Problem nicht verschlimmern.
Warum ist es wichtig, dass dein Hund möglichst selten an der Leine reagiert?
Zunächst einmal ist es beim Leinenpöbeln wie bei allen Verhaltensweisen – je häufiger man es praktiziert, desto mehr „übt“ und verfestigt es sich. Unabhängig davon, warum dein Hund ursprünglich mal angefangen hat, an der Leine andere Hunde anzumotzen, fühlt er sich während dieser Begegnungen ziemlich gestresst und unwohl in seiner Haut. Das gezeigte Aggressionsverhalten ist Teil seiner Bewältigungsstrategie, um möglichst schnell und heil aus der Situation rauszukommen. Üblicherweise hat das Verhalten aus Sicht des Hundes Erfolg, schließlich löst sich die Situation meist recht zügig auf und der andere Hund oder man selbst geht weiter. Dass man vielleicht ohnehin weiter gegangen wäre, wissen ja unsere Hunde nicht… Mit jeder eskalierten Hundebegegnung lernt der Hund also von neuem, dass sich das Pöbeln lohnt und eine Möglichkeit darstellt, der unangenehmen Situation zu entgehen.
Je nachdem wie mit dem Verhalten des Hundes umgegangen wird, entstehen noch zusätzliche Probleme. Ein schimpfender Mensch oder ein Ruck an der Leine können die Situation für den Hund zusätzlich verschlimmern. Neben der ohnehin schon bestehenden Anspannung beim Anblick eines anderen Hundes kommt langfristig noch die Erwartung eines unangenehmen Strafreizes und somit ein zusätzlicher Stressfaktor hinzu.
Was also tun, wenn der andere Hund in Sichtweite kommt und ich weiß, dass mein Hund noch nicht weit genug im Training ist, um die Begegnung entspannt zu meistern?
- Auswahl geeigneter Gassistrecken
Der entspannte Spaziergang beginnt mit der Auswahl der Strecke. Nichts ist schlimmer, als einem Hund unerwartet hinter der nächsten Häuserecke zu begegnen und dann durch die enge Bebauung nicht ausweichen zu können. Stattdessen suche lieber nach gut einsehbaren Freiflächen, die dir ermöglichen, fremde Hunde frühzeitig zu bemerken lange bevor dein Hund ausflippt. Falls du in einer sehr hundereichen Gegend wohnst und es keine entsprechenden Gassistrecken gibt, kannst du auch einfach zu ungewöhnlichen Zeiten spazieren gehen, um deine Ruhe vor unerwünschten Begegnungen zu haben. Auch den Hund zeitweise nur im Garten zu beschäftigen und parallel am Problem zu trainieren, ist im Zweifel eine Möglichkeit.
- Bogen laufen
Treffen zwei Hunde an der Leine aufeinander, sind sie nicht frei, sich so zu verhalten, wie sie es üblicherweise unter Artgenossen tun würden. So gehört es zum Beispiel zum Hunde-Knigge dazu, stets etwas schräg im Bogen aneinander vorbei bzw. aufeinander zuzugehen. Eine frontale Annäherung würde eine massive Provokation bedeuten. Laufen wir nun also auf einem schmalen Spazierweg aufeinander zu und nehmen den Hund wie selbstverständlich an der Leine mit, hindern wir ihn daran, die Situation allein durch seine Laufstrecke zu deeskalieren. Stattdessen wird selbst ein defensiver Hund zu einer unhöflichen Geste gezwungen, mit der er sich in den seltensten Fällen selbst wohlfühlen kann. Gut sozialisierte Hunde, die sich sicher in unserer zivilisierten Welt bewegen, haben sich meist damit abgefunden, dass wir Menschen samt vierbeinigen Anhängseln uns eben etwas unverschämt und sozial inkompetent verhalten. Weniger souveränen Hunden können wir Zweibeiner es aber erheblich leichter machen, indem wir ihnen den Höflichkeits-Bogen ermöglichen oder ihn sogar von uns aus vorschlagen.
- Festfüttern
Dem Füttern in stressigen Situationen schwebt oft ein negativer Ruf voraus. Es könnte sich schließlich um Bestechung handeln und außerdem wird der Hund ja nur abgelenkt und nicht trainiert.
In der Tat ist das hochfrequente „Festfüttern“ jedoch ein äußerst wertvolles Tool, um Situationen zu überstehen, die für den aktuellen Trainingszustand eigentlich noch zu schwierig sind. Du denkst, dass dein Hund sich in der Begegnungssituation ohnehin nicht für Futter begeistern lässt? Das ist vermutlich richtig. Deshalb ist es deine Aufgabe, herauszufinden, bis zu welchem Punkt dein Hund vielleicht doch noch Lust auf Leberwurst hat und dieses Wissen geschickt zu nutzen. Zum Beispiel kann man parkende Autos auf der vom fremden Hund abgewandten Straßenseite ganz wunderbar nutzen, um den Sichtkontakt zu unterbrechen. Die Kombination aus den Autos, dem Abstand über die Straße und der duftenden Leberwurst macht es für viele Hunde durchaus möglich, zumindest einigermaßen entspannt zu bleiben. Statt einer negativen Lernerfahrung bei der der Hund wieder in der Leine hängt, frisst der Hund also idealerweise Leberwurst und erlebt sogar noch etwas Positives im Kontext der Hundebegegnung. Natürlich soll diese Form des Managements keine Dauerlösung für die Ewigkeit darstellen. Wenn sie jedoch ermöglicht, eine Situation, die der Hund anders noch nicht bewältigen kann, zu entspannen, hat sie jede Berechtigung.
- U-Turn
Gerade wenn der Weg durch Häuser oder Bäume begrenzt ist und es keine Möglichkeit gibt, zur Seite auszuweichen, sehen wir oft keine Alternative zur unangenehmen Begegnung vor uns. Aber wer sagt eigentlich, dass auf dem Spaziergang keine 180-Grad-Wendungen machen dürfen? Statt sehenden Auges in eine Begegnungssituation zu laufen, die zum aktuellen Zeitpunkt noch zu schwer für deinen Hund ist, solltest du darüber nachdenken, einfach den Rückweg anzutreten. Es muss ja deshalb nicht zwingend nach Hause gehen, aber vielleicht bis zur nächsten Weggabelung oder bis zu einer geeigneten Ausweichmöglichkeit. Ein schöner Weg, um solche Wendungen harmonisch in den Ablauf einzubauen, ist ein vorher trainiertes Handtarget. Der Hund lernt, sich auf Signal umzudrehen und mit dem Handtarget in die andere Richtung weiterzulaufen. Wird diese Übung außerhalb der Begegnungssituationen intensiv trainiert, kann sie in ausreichender Entfernung vom anderen Hund wie ein Trick abgerufen und anschließend direkt hochwertig belohnt werden.
- Durchatmen und singen
Nicht zuletzt liegt ein großer Teil des Problems oft bei uns Menschen. Hast du beim Anblick des anderen Hundes bereits Schweißperlen auf der Stirn und rechnest mit dem schlimmsten, wird es auch für deinen Hund immer schwerer, sich zu entspannen. Umso wichtiger ist es, dass du die Situation für dich selbst so sicher wie möglich gestaltest. Falls es dir Schwierigkeiten bereitet, deinen ziehenden Hund festzuhalten, weiche auf ein Geschirr mit Vorderring oder unter Anleitung auf ein Kopfhalfter aus. Mach dir das Leben leicht – erst wenn du sicher bist, den Kräften deines Hundes notfalls spielend gewachsen zu sein, hast du die Ruhe, um souverän mit der Situation umzugehen. Achte bewusst auf deine Atmung oder sing dir und deinem Hund leise ein Lied vor. Und das Wichtigste: genieße die Spaziergänge mit deinem Hund. Suche dir ruhige, gut einsehbare Bereiche auf deiner Spazierrunde, in denen ihr Beide entspannen könnt. Nutze diese Wohlfühlzonen für ein kleines Suchspiel, für Tricktraining oder einfach nur für eine kurze Kuscheleinheit. Der größte Teil eurer gemeinsamen Zeit besteht schließlich nicht aus den ungeliebten Hundebegegnungen sondern aus Chancen auf schöne gemeinsame Erlebnisse.
Dein Hund reagiert an der Leine gestresst auf andere Hunde und du möchtest ins Training einsteigen? Vereinbare gern hier einen Anamnesegespräch. Du kommst nicht aus dem Raum Magdeburg / Stendal? Gerne berate ich dich auch online, bespreche mit dir bisherige Trainingsansätze und empfehle dir ggf. einen Trainer in deiner Nähe.
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